Kennst du den Roses Revolution Day? Ich glaube, ich habe ihn vor einem oder zwei Jahren erst kennengelernt und finde, dass er noch viel bekannter werden sollte. Er ist jedes Jahr am 25. November. An diesem Tag legen Frauen weltweit rosafarbene Rosen an den Orten nieder, an denen sie Gewalt in der Geburtshilfe erfahren haben. Die Roses Revolution stellt eine friedliche Revolution gegen Respektlosigkeit und Gewalt in der Geburtshilfe dar. Jede Rose steht dabei für eine Geschichte und das damit verbundene Leid einer Betroffenen.
Gewalt kann dabei viele Gestalten haben. Es kann sich um körperliche Gewalt, z.B. fixieren, Zwang zum Liegen während der Wehen, Untersuchungen/Interventionen ohne medizinische Notwendigkeit oder gegen den Willen der Schwangeren handeln. Es kann psychische Gewalt, wie beispielsweise anschreien, beschimpfen, unter Druck setzen, Erpressung, Diskriminierung (Alter, Gewicht, Herkunft, u.a.), Machtmissbrauch, Verbot zu essen/trinken oder sich zu bewegen, sein. Aber auch strukturell bedingte Gewalt gehört dazu. Dazu zählen die durch die Hebammenunterversorgung entstehenden Folgen, Kreißsaalschließungen oder das Abweisen von Schwangeren wegen fehlender Kapazitäten.
Ich spreche durch meine Tätigkeit mit sehr vielen Müttern und habe schon viele Geschichten von Gewalt rund um die Geburt erzählt bekommen. Es waren kleine Geburten, stille Geburten und Geburten lebender Kinder.
Einer Frau erzählte mir, dass bei der Geburt ihres Sohnes die Saugglocke ohne vorherige Ankündigung eingesetzt wurde. Ebenso wurde ein Dammschnitt ohne ihre Einwilligung und auch ohne Ankündigung durchgeführt. Sie hat erst nach der Geburt von dem Dammschnitt erfahren, weil ihr Mann es ihr gesagt hat. Ihr Sohn wurde ihr dann nach der Geburt sofort weggenommen und auf die Neonatologie verlegt. Auf ihre Nachfragen, was mit ihrem Sohn los sei und was jetzt passiert, wurde nicht reagiert und auf ihr Weinen hieß es nur, sie solle sich nicht so anstellen und sich beruhigen, ihr Kind würde leben.
Einer andere Frau berichtete mir, dass ihr bei ihrer ersten Geburt Medikamente und die PDA verwährt wurden, obwohl es keinen Grund dafür gab und sie mit ihren Kräften am Ende war. Diese Frau erlebte auch bei ihrer zweiten Geburt Gewalt. Ihr Kind wurde aufgrund einer steckengebliebenen Schulter ohne Vorwarnung in den Geburtskanal zurückgeschoben. Dabei hat sich die Nabelschnur um seinen Hals gewickelt und zu einem Sauerstoffmangel beim Kind geführt. Die dadurch entstandenen Schäden konnten glücklicherweise durch Frühförderung ausgeglichen werden.
In diesen Fällen leben die Kinder glücklicherweise und haben keine bleibenden Schäden. Doch mir wurde auch von Frauen berichtet, deren Kinder aufgrund ungerechtfertigter Interventionen starben oder auch Frauen, die während einer kleinen oder stillen Geburt Gewalt erleben mussten.
Eine Frau erzählte mir, dass sie sich nachdem das kleine Herzchen ihres ungeborenen Kindes in der 10. Woche aufgehört hatte zu schlagen, für eine natürliche kleine Geburt entschieden hat. Allerdings wurde ihr von Seiten der Ärzte mächtig Druck gemacht, dass sie eine Ausschabung vornehmen lassen müssen. Sie blieb standhaft und hatte am Ende nach vielen Wochen eine kleine Geburt.
Eine weitere Frau berichtete mir von ihrer stillen Geburt ganz am Ende der Schwangerschaft. Sie wurde allein gelassen im Kreißsaal und aufgrund von Corona durfte auch ihr Mann nicht mit. Sie war also ganz allein. Als sie nach Hilfe rief, wurde ihr gesagt, sie müsse da allein durch, denn ihr Kind lebt sowieso nicht mehr und die anderen Frauen mit lebenden Kindern hätten Vorrang.
Ich selbst habe auch Gewalt erlebt. Das wurde mir tatsächlich erst heute bei meinen Recherchen für diesen Blogeintrag bewusst. Als mein Sohn verstorben war und ich mich nach Rücksprache mit meiner Hebamme entschieden habe, mich erstmal nicht einleiten zu lassen, wurde mir im Krankenhaus vom diensthabenden Arzt enorm Druck gemacht und gesagt, ich würde mein Leben gefährden, was absolut nicht der Fall war. Knapp zwei Wochen später durfte ich über viele Stunden während der Geburt nichts essen und trinken. Für mich war das normal und ich habe mir gar keine großartigen Gedanken darüber gemacht, dass das Gewalt ist. Ich hatte in dem Moment andere Sorgen. Ich weiß auch tatsächlich nicht, ob ich überhaupt etwas gegessen hätte aber trotzdem ist es ein Unding, dass ich nicht durfte.
Vielen Frauen ist vermutlich gar nicht bewusst, dass sie Gewalt unter der Geburt erlebt haben. Das finde ich mega erschreckend, denn es zeigt, wie normal Gewalt während der Geburt ist. Daran muss sich dringend etwas ändern. Doch allein strukturelle Probleme sind für vieles, was in der Geburtshilfe schief läuft, verantwortlich.
Es ist wahnsinnig schlimm, dass es Gewalt in der Geburtshilfe überhaupt gibt. Aber dass manche Frauen das Schicksal einer kleinen/stillen Geburt und noch on top Gewalt währenddessen erleben müssen, ist wirklich grausam. Ich hoffe, dass sich in den kommenden Jahren die Bedingungen für gebärende Frauen verbessern werden und Gewalt irgendwann kein Thema mehr sein wird.